FANTRANSPORTE
CLUBS MÜSSEN VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN
Der SEV ist beunruhigt über Berichte des Bahnpersonals zu Gewalt und Vandalismus von Fussballfans auf Zügen der SBB. Er fordert mehr Sicherheit für das Zug- und Lokpersonal. Und er verlangt, dass sowohl die Swiss Football League und die einzelnen Fussballclubs als auch die kantonalen Polizeicorps, die SBB und andere Bahnunternehmungen ihre Verantwortung wahrnehmen und in die Sicherheit des Bahnpersonals investieren.
Beitrag von srf.ch, 10.Juli 2023, nur auf deutsch
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/gewalt-in-fanzuegen?partId=12417175
Einer der gravierendsten Vorfälle trug sich Ende Mai zu, als rund 250 Servette-Fans auf dem Rückweg nach Genf einen Zug zum Stoppen brachten. Sie befanden sich nicht auf einem speziellen Fanzug, sondern auf einem regulären Zug, der nicht von der Transportpolizei begleitet wurde. In Morges musste der Zug wegen eines Feueralarms halten. Mehrere Fans attackierten in Folge das Zugpersonal und den Lokführer zuerst verbal. Dann schlug einer der Fans einem Kundenbegleiter ins Gesicht. Sofort verständigte das Zugpersonal die Polizei. Doch es dauerte über 40 Minuten, bis die Kantonspolizei eintraf und für Sicherheit und Ordnung sorgen konnte.
Gemäss Berichten des Zugpersonals kam es in der letzten Fussballsaison vermehrt zu Vandalismus und Gewaltvorfällen mit Fans, sowohl auf besonderen Fanzügen als auch auf regulären Zügen, auf denen sich viele Fans befanden. Es wurden Notbremsen gezogen. Oft wurde geraucht. Häufig herrschte eine derart bedrohliche Stimmung gegenüber dem Personal, dass es nicht eingreifen und auch keine Billette kontrollieren konnte. Zuweilen musste sich das Zugpersonal auf den Führerstand zurückziehen, um sich vor den Drohungen der Fans zu schützen. In regulären Zügen, die von Fans bestiegen wurden, brachte das Personal Reisende, die nicht zu den Fangruppen gehörten, in einen anderen Wagen oder in den Bereich der 1. Klasse, um sie vor Übergriffen zu schützen. Für die beiden betroffenen SEV-Unterverbände ZPV und LPV ist klar, es muss etwas passieren.
Der SEV ist sich bewusst, ein Grossteil der Fantransporte an Fussballspiele verläuft friedlich. Da in der Schweiz Transportpflicht herrscht, ist klar, Fantransporte können und sollen nicht unterbunden werden. Trotzdem stellt der SEV jetzt Forderungen an die verschiedenen Stakeholder:
Super League und Challenge League Clubs: Professionelle Fanarbeit, die eine deeskalierende Wirkung hat, muss ausgebaut und gefördert werden. Neben der Fanarbeit sollen wo nötig auch Stewards der Clubs die Fangruppen auf den Zügen begleiten. Gefordert sind insbesondere diejenigen Clubs, bei denen die Fangemeinde in den letzten Jahren gewachsen ist. Sie müssen hier deutlich mehr investieren.
Swiss Football League: Die SFL und deren Clubs müssen mehr Verantwortung für ihre Fans übernehmen. Ähnlich wie in anderen Ligen Europas müssen sie sich an den Kosten, die der sichere Transport von Fans verursacht, beteiligen. Und sie müssen juristisch belangt werden können, wenn Fans auf dem Weg an die Spiele Sachbeschädigungen und Gewalt im öffentlichen Verkehr ausüben.
Kantonspolizei (bzw. KKJPD): Es reicht nicht, wenn die zuständige Kantonspolizei nur Stadien und Bahnhöfe neben den Stadien schützt. Die jeweils verantwortliche Kantonspolizei muss auch bereit sein, sofort einzugreifen, wenn sich Fangewalt auf der Strecke zwischen den Austragungsorten von Fussballspielen ereignet.
SBB (und andere Bahnunternehmungen): Die SBB muss sich unbedingt an die «Charta gegen Gewalt im öffentlichen Verkehr» halten, die sie 2002 unterzeichnet hat. Sie muss die Personalplanung bei Fanzügen und Regelzügen, auf denen sich viele Fans befinden, optimieren und wo nötig das Zugpersonal aufstocken. Ausserdem sollte die SBB mit dem Bund über eine Aufstockung der Transportpolizei verhandeln.
Weil ab der Saison 2023/24 zwei neue Clubs in den professionellen Ligen mitspielen, werden die Fantransporte zunehmen. Weil mehr Clubs aus der Romandie in der obersten Liga dabei sind, verlängern sich zum Teil die Wege, die Fans an ein Auswärtsspiel zurücklegen müssen. Deshalb ist jetzt dringend Handlungsbedarf angesagt.
Michael Spahr